Dieser Beitrag wurde freundlicherweise von Detlev Zuckarelli zur Verfügung gestellt, wofür ich mich herzlich bedanke. Alle Rechte liegen bei ihm.
Das Zollgrenzschutz-Ausbildungslager Differdingen 1942
Während der Besetzung in den Jahren 1940 bis 1944, bei der Luxemburg faktisch seine Selbständigkeit verloren hatte, waren die luxemburgischen Verwaltungen aufgelöst und durch deutsche ersetzt worden. Deutsches Recht folgte nun dem luxemburgischen Recht. Von den Auflösungen war auch die luxemburgische Zollverwaltung betroffen, an deren Stelle die deutsche Zollverwaltung trat. Über ihren Aufbau und ihre Tätigkeit habe ich in meinem Buch „Die deutsche Zollverwaltung in Luxemburg 1940 bis 1944 - Versuch einer Rekonstruktion“ geschrieben.[2] Darin hatte ich auch über das Zollgrenzschutz-Ausbildungslager in Differdingen aus der damals einzigen mir bekannten Quelle kurz berichtet[3]. Inzwischen habe ich weitere Quellen gefunden und kann daher ein genaueres Bild über das Ausbildungslager nachzeichnen.
Die Aufgabe der Zollgrenzschutz-Ausbildungslager
Im Bezirk des Oberfinanzpräsidenten Köln gab es zwei Zollgrenzschutz[4]-Ausbildungslager: das eine in Herzogenrath bei Aachen und das andere in Differdingen später in Mersch, im besetzten Luxemburg, das ihm finanzrechtlich unterstand. Diese Lager hatten die Aufgabe, Hilfszollbetriebsassistenten vor ihrer Ernennung zu Hilfszollassistenten[5] fachlich zu unterrichten, ihnen das nationalsozialistische Gedankengut näher zu bringen und sie durch Exerzieren und Dienst im Gelände militärisch zu schulen.
Allgemeines über das Zollgrenzschutz-Ausbildungslager Differdingen
Das Ausbildungslager war in den „geräumigen und blitzsauberen“[6] Räumen der Kantine des Hüttenwerkes, die der Direktor der Differdinger Stahlwerke AG Kruse zur Verfügung gestellt hatte, eingerichtet. Ein Raum, der so genannte Kameradschaftsraum, war Speiseraum und konnte zur Veranstaltung von Feiern verwendet werden. Die Räume für die Mannschaften, im offiziellen Sprachgebrauch - wie bei der Wehrmacht - „Stuben“ genannt, waren „hell, luftig, geräumig und haben alle Zentralheizung“[7]. Jeder dieser Räume trug den Namen eines gefallenen Angehörigen des Zollgrenzschutzes aus dem Bezirk des Oberfinanzpräsidiums Köln. In jedem Raum waren während der drei- bis vierwöchigen Ausbildung vier Mann untergebracht. Der Platz vor der Kantine diente dazu, Appelle abzuhalten und zu exerzieren.
Das Ausbildungslager war für eine Belegung mit 100 Mann vorgesehen. Lagerführer war Bezirkszollkommissar G[8] Wicke[9]. Ihm zur Seite stand das Personal für die Ausbildung und Verwaltung.
Die Eröffnung des Ausbildungslagers
Die Gäste
Aus der „feierliche[n]“ Eröffnung am 18. Februar 1942 und der Anwesenheit der örtlichen Partei- und Verwaltungsbehörden kann man schließen, dass das Lager für sie eine nicht alltägliche Bedeutung hatte. In Vertretung von Oberfinanzpräsident Dr. Walter Kühne war Finanzpräsident Z[10] Schneider mit dem Grenzreferenten, Regierungsrat Rühlmann, aus Köln angereist. Von den örtlichen Behörden waren erschienen: den stellvertretenden Landrat Dr. Jung, der Kreisgeschäftsführer der NSDAP[11] Goetze als Vertreter von Kreisleiter Diehl, der Ortsgruppenleiter der Volksdeutschen Bewegung Jakob, NSKK[12]-Obersturmführer Rudolph, Bürgermeister Schrader, der Direktor der Differdinger Stahlwerke AG Kruse, die Vorsteher der Hauptzollämter Luxemburg und Ettelbrück, die Zollräte Bültemann und Reichert, die Zollkommissare der Bezirkszollkommissariate G sowie der Postenführer der Grenzaufsichtsstelle Differdingen Zollassistent Rödle, der mit seinen Leuten an der Einrichtung des Lagers „tatkräftig“ mitgewirkt hatte.
Bild 1: Finanzpräsident Z Schneider unterhält sich mit den Gästen. Von rechts nach links: Regierungsrat Rühlmann, Finanzpräsident Z Schneider, NSDAP-Kreisgeschäftsführer Goetze, stellvertretender Landrat Dr. Jung, Lagerführer Bezirkszollkommissar G Wicke
Die Feier
Vor der Eröffnung hatten die 56 Teilnehmer des ersten Lehrgangs auf dem Platz vor der Kantine Aufstellung genommen. Nach der Meldung, dass der Zollgrenzschutz angetreten sei, schritt Finanzpräsident Z Schneider mit seiner Begleitung die Front ab. Dann wandte er sich an die Lehrgangsteilnehmer und hielt in typischer nationalsozialistischer Ausdrucksweise eine „markige“[13] Ansprache.
Bild 2: Der Zollgrenzschutz ist auf dem Vorplatz der Hüttenkantine zum Appell angetreten.
Zuerst erinnerte er daran, dass es in diesem Krieg um die Existenz des deutschen Volkes ginge und appellierte an die Unterstützung der Soldaten durch die Heimat: „Jeder von uns hat…begriffen, dass es in diesem Ringen um alles, um das deutsche Volk schlechthin geht. Wohl steht bei diesem gewaltigen Geschehen der Soldat im Vordergrund. Um ihn kreisen alle Gedanken der deutschen Heimat, ob er im Osten in einem unerhört schweren Kampf gegen die Kälte und einen unmenschlichen Feind steht, ob er drunten im heißen Sand Afrikas tausende von Kilometern zurücklegt, um dem Feind auf den Fersen zu bleiben oder an der Westküste von Narvik bis an die spanische Grenze treue Wacht hält. Aber der Soldat schafft es nicht, ihm muss die ganze Heimat zur Seite stehen. Dabei kommt es nicht darauf an, wo Einer steht und welchen Posten er ausfüllt, sondern dass er ihn mit ganzem Herzen ausfüllt.“[14]
Seit Kriegsbeginn hatte der Zollgrenzschutz neue Aufgaben erhalten, die mit seinem eigentlichen Auftrag, nämlich die Reichsgrenzen zu sichern und den Waren- und Personenverkehr im Zollgrenzbezirk zu überwachen, häufig nur wenig zu tun hatten. Unter oftmals schwierigsten Bedingungen wurde er in den besetzten Gebieten eingesetzt und war im Schatten der Wehrmacht tätig. Nach Abschluss der Kampfhandlungen besetzte er eine von ihr genannte Sicherungslinie. Dort führte er die Überwachung des Waren- und Personenverkehrs durch. Wenn die Kampfhandlungen noch nicht beendet waren, hatte er die Grenze zwischen dem militärischen Operationsgebiet und dem rückwärtigen Heeresgebiet zu sichern.[15]
Damit er diese ungewohnten Aufgaben erledigen konnte, musste er auf sie vorbereitet werden. Hierzu und zur Bedeutung des Zollgrenzschutzes äußerte sich Finanzpräsident Schneider. Indirekt räumte er dabei ein, dass es bisher - immerhin nach fast zweijähriger Besetzung - nicht gelungen sei, die luxemburgische Bevölkerung für den Nationalsozialismus zu gewinnen, was übrigens auch später nicht gelingen sollte. Er fuhr fort: „In dieser Zeit stellen sich auch dem Grenzschutz neue Aufgaben. Deshalb wurde dieses Lager eingerichtet…Ich bitte Sie, Ihren Dienst so streng und ernst wie möglich aufzufassen. Nur so wird das Ziel erreicht, das uns allen vorschwebt: Die Heimat und die Bevölkerung zu schützen…Jeder Deutsche ist heute bestrebt, aus dem nationalsozialistischen Denken heraus sein Bestes zu leisten. Tun Sie das auch hier. Besonders hier an der Westgrenze, wo Sie unter einer Bevölkerung tätig sind, die dem nationalsozialistischen Denken erst zugeführt wird, muss Ihr Wirken vorbildlich sein. Es muss aufgebaut sein auf der Grundlage des Nationalsozialismus, auf Ehre und Treue…Ihr Dienst, meine Männer, ist…Dienst an der Volksgemeinschaft, die wir glücklich sehen und mit der wir zusammen in eine bessere Zukunft hineinmarschieren wollen.“
Dann erklärte Schneider das Lager für eröffnet und lud die Gäste zur Besichtigung ein. Dem Eröffnungsakt schloss sich mit dem Befehl von Lagerleiter Wicke: „Heißt Flagge!“ das Flaggenhissen an.
Bild 3: Finanzpräsident Z Schneider besichtigt einen Mannschaftsraum.
Anschließend richtete Bürgermeister Schrader „einige kernige Worte“[16] an die zur Flaggenhissung angetretenen Lehrgangsteilnehmer. Er verwies darauf hin, „…dass Differdingen nicht nur die Stadt der Schlote sei. Sie verfüge über die schönsten Sportplätze und herrliche Waldpartien. In dieser Stadt mögen alle, die…im Zollgrenzschutzlager…ausgerichtet werden, ein Stück Heimat sehen und sich wie zu Hause fühlen“[17]. Jedem Teilnehmer händigte er ein Büchlein über die Geschichte der Stadt aus. „Mit einem dreifachen „Sieg-Heil“ auf Führer und Vaterland“[18] endete die Flaggenhissung.
Beim Rundgang durch die Mannschaftsräume konnten sich die Gäste, wie das „Escher Tageblatt“ schreibt, „…von soldatischer Zucht, peinlicher Sauberkeit und tadellosem Mannschaftsgeist bestens überzeugen. Sie nahmen die Überzeugung mit fort, dass hier ein mustergültiges Ausbildungslager geschaffen wurde, das dem Zollgrenzschutz zum Besten und der Stadt Differdingen zur Ehre gereicht“.
Der Kameradschaftsabend
Am Abend fand “als würdiger Abschluss des Eröffnungstages“ im Gemeinschaftsraum des Lagers ein Kameradschaftsabend statt. Abende dieser Art waren bei den Nationalsozialisten ein wichtiger Bestandteil der Gemeinschaftspflege. Die ansonsten tagsüber auferlegte strenge Ordnung wurde bei solchen Anlässen gelockert, so dass es zwangloser zuging und eine fröhlichere, oftmals ausgelassene Stimmung auftrat. Trotzdem nahm die Politik auch an diesen Abenden einen mehr oder weniger großen Raum ein. Teilnehmer an der Veranstaltung waren, neben den Angehörigen des Zollgrenzschutzes, die bei der Eröffnung erschienenen Vertreter der Zollverwaltung, Hüttendirektor Kruse und Bürgermeister Schrader.
Bezirkszollkommissar G Wicke begrüßte die Gäste und hielt die Totenehrung für die gefallenen Zollgrenzschutzangehörigen des Oberfinanzpräsidiums Köln. Dann sprach Finanzpräsident Z Schneider. In seiner Rede wies er insbesondere auf die Kameradschaft - von den Nationalsozialisten in mythischer Weise überhöht - hin. Er sagte dazu: „Auch das Wort Kameradschaft soll nicht verwässert werden. Sie soll sowohl im Lehrgang als auch außer Dienst gepflegt werden“[19]. Bezirkszollkommissar G Wicke vertrat die gleiche Auffassung mit den Worten, dass sie “… in erster Linie…geübt und gepflegt“[20] werde. Was den Ausgang des Krieges betrifft, zeigte sich Schneider sehr zuversichtlich: „Dass wir aus diesem Kriege siegreich hervorgehen werden, ist unser Glaube aus tiefster Überzeugung. Der Sinn dieses Lebens heißt Kampf und der Bessere hat sich immer durchgesetzt“ [21]. „Aus der Not heraus erwachse die Größe der Taten und die Einsatzbereitschaft aller“[22].
Für eine angeregte Stimmung, zu der sicherlich wohl auch der Alkohol beitrug, der an solchen Abenden meist reichlich floss, sorgten eine Kapelle und humoristische Vorträge. Passend für diesen Rahmen waren die beiden gemeinsam gesungenen, den Zollgrenzschutz heroisierenden Lieder, die Lagerführer Wicke komponiert und getextet hatte: „Differdinger Lagerleben“ und „Vom Zollgrenzschutz“[23]. Dass der Kameradschaftsabend nicht losgelöst von der Politik war, zeigt - neben den Reden - auch der Abschluss „…mit dem Gruß an den Führer und den Liedern der Nation…“[24].
Der Abschluss des ersten Lehrgangs
Am 6. März 1942 war der erste Lehrgang beim Zollgrenzschutz-Ausbildungslager Differdingen beendet. Mit einem Appell und einem Kameradschaftsabend wurde der Abschluss in der bei den Nationalsozialisten gewohnten Form begangen.
Appell auf dem Marktplatz
Am Morgen marschierten die Lehrgangsteilnehmer mit ihrem Lagerführer Wicke an der Spitze, das „Differdinger Lagerlied“ singend, zum Marktplatz der Stadt, wo bereits die Flagge gehisst und eine Wache aufgezogen war. Viele Bewohner hatten sich dort eingefunden, um das Schauspiel zu sehen. Die singende Marschkolonne war für das „Escher Tageblatt“ „…schon rein äußerlich der beste Beweis für die geschlossene und gesunde Kameradschaft des gesamten Lehrgangs einschließlich der Führung…“[25]. Finanzpräsident Schneider schritt die Front der Lehrgangsteilnehmer ab und begrüßte den Vertreter des Kreisleiters, Bürgermeister Schrader, den Ortsgruppenleiter der Volksdeutschen Bewegung Jakob sowie die Vertreter der Zollverwaltung, unter denen sich Finanzpräsident Michaelis vom Oberfinanzpräsidium Düsseldorf befand. In seiner kurzen Ansprache lobte Schneider die Differdinger Bevölkerung, die sich gegenüber den Lehrgangsteilnehmern „vorbildlich benommen“ habe. Dann überreichte er „mit besonderer Freude“ dem Bezirkszollkommissar G von Steinfort, Fricke, und den Zollinspektoren Greib[26] und Suhnel das Kriegsverdienstkreuz mit Schwertern, wobei er beiden für ihren „nachahmenswerten Einsatz“ dankte. Mit einem „dreifachen Sieg-Heil“ entboten hierauf alle Anwesenden „dem Führer“ ihren Gruß.
Unter Führung von Bezirkszollkommissar G Wicke marschierten die Lehrgangsteilnehmer im Paradeschritt an Finanzpräsident Z Schneider und den Gästen vorbei. Dann ging es wieder zurück zum Lager. Hier legten sie nun ihre theoretische und praktische Prüfung ab und zeigten den Anwesenden, was sie alles in den vergangenen drei Woche gelernt hatten: Exerzieren der Grundausbildung und Vorführung verschiedener Übungen von Ernstfällen aus dem täglichen Dienst. Bei Schneider hinterließ das Gesehene einen „günstigen Eindruck“.
Die Abschlussfeier
Die Abschlussfeier, es versteht sich beinahe von selbst, war wiederum ein Kameradschaftsabend. Lagerführer Wicke bedauerte, dass nicht alle Vorgesetzten, wie bei der Eröffnungsfeier, anwesend sein konnten. Sehr zufrieden äußerte er sich über die Leistungen des ersten Lehrgangs: „Es kann jetzt mit Stolz gesagt werden, dass dieser Lehrgangsabschluss sich sehen lassen kann. Alle Gäste und Vorgesetzte waren ob der Gesamtleistung mehr als zufrieden und haben sich in hohem Maße über die stramme und tadellose Vorführung, besonders des Parademarsches, gefreut.“[27]
Nach der Verteilung der Schießpreise hielt Zollsekretär Schönewolf, der offensichtlich dem Stammpersonal des Ausbildungslagers angehörte, eine kleine Ansprache. Seinen Worten kann man entnehmen, dass es zum einen als etwas Besonderes gelten sollte, im Lager Differdingen ausgebildet worden zu sein, und zum anderen, dass der Zollgrenzschutz bisher noch nicht von allen militärischen Organisationen als gleichberechtigt anerkannt wurde: „Ich spreche hiermit den Wunsch aus, dass Ihr alle in Euren Aufsichtsstellen zeigen sollt, dass Ihr hier in Differdingen im Ausbildungslager gestanden habt, denn der Zollgrenzschutz soll ebenso geschätzt sein wie alle anderen Formationen“.
Nachdem das Lied von Lagerleiter Wicke „Vom Zollgrenzschutz“ gesungen worden war, lobte Bürgermeister Schrader mit nationalsozialistischem Pathos die Lehrgangsteilnehmer: „Ihr habt unserer Stadt ein neues Gepräge verliehen. Genau wie das hier auf der Hütte verarbeitende Eisen ein fester Block bildet, so seid auch Ihr ein Block, der Haltung, Geist und Kameradschaft heißt“[28]. Bisher hatte noch Niemand den Anteil erwähnt, den Wicke als Lagerleiter an der Ausbildung gehabt hatte. Dies holte Schrader nach, indem er sagte: „Dass Ihr zu diesem [Block; der Autor] geworden seid, ist nicht letzten Endes ein Verdienst von Bezirkszollkommissar G Wicke, welcher das richtige Zeug als Lagerführer in sich hat“. Für Unterhaltung sorgte anschließend „…ein flottes Programm, wobei die Stimmung durch eine Liebhaberkapelle gehoben wurde.“ Ohne viel Phantasie kann man sich vorstellen, in welch’ fröhlicher Atmosphäre der Rest dieses Abends verlief.
Der erste Lehrgang im Zollausbildungslager Differdingen war beendet. Die Teilnehmer fuhren zurück zu ihren Zollaufsichtsstellen irgendwo im Reich oder in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten. Wie hieß es denn noch so schön in der dritten Strophe des „Differdinger Lagerliedes“, das Lagerleiter und Bezirkszollkommissar G Wicke den Männern des Zollgrenzschutzes „geschenkt“[29] hatte? „Sind vorüber die drei Wochen,/ Ist vorbei die schöne Zeit./ Ja, dann zieh’n wir alte Knochen,/ Wieder heim, zum Dienst bereit“[30].
Weitere Lehrgänge
Die Durchführung der Lehrgänge im Ausbildungslager war offenbar dringlich, denn - zumindest die drei folgenden Lehrgänge - begannen nur kurze Zeit hintereinander. Es ist anzunehmen, dass die weiteren, über die keine Überlieferungen vorhanden sind, ebenso zügig abgewickelt wurden. Der zweite Lehrgang muss bereits wenige Tage nach dem Ende des ersten angefangen haben. Nach einer kurzen Osterpause Anfang April 1942 begann schon der dritte[31], der vier Wochen dauerte. Am 6. Mai 1942 - am Abend vorher hatte der obligatorische Kameradschaftsabend stattgefunden -, verließen die Teilnehmer dieses Lehrgang Differdingen und noch am gleichen Tag rückte der vierte Lehrgang in einer Stärke von 50 Mann ein.[32]
Weitere Überlieferungen über das Ausbildungslager liegen am 22. Juli 1942 wieder vor, als das „Escher Tageblatt“ über einen Gemeinschaftsabend berichtete, den der Zollgrenzschutz am Sonntag, den 19. Juli 1942, im Saale Courtois veranstaltet hatte. Neben zahlreichen Gästen nahmen die politischen Leiter unter Führung von Ortsgruppenleiter Kemp teil. Zollinspektor Mühlmann als Leiter des derzeitigen Lehrgangs sprach den Männern des Zollgrenzschutzes seine „volle“[33] Anerkennung für ihre Leistungen aus. Es sei, so schreibt das „Escher Tageblatt“, eine „erhebende Feierstunde“ gewesen, bei der man der gefallenen Kameraden des Zollgrenzschutzes gedacht habe. Die Politik kam an diesem Abend bei einem Vortrag „…über den Aufbau des nationalsozialistischen Reiches, durchwoben mit Kampfliedern, die von einem Chor musterhaft vorgetragen wurden“[34]auch nicht zu kurz. Zur Unterhaltung gab es Vorträge von Lehrgangsteilnehmern, Szenen aus dem Leben der Grenzer wurden nachgespielt, „…eine flotte Musik schaltete sich zwischen den Darbietungen ein…und bis zum Schluss…herrschte eine gehobene kameradschaftliche Stimmung“.
Das Ende des Zollgrenzschutz-Ausbildungslagers Differdingen
In Monschau in der Eifel fand vom 8. bis 9. September 1942 die Dienstbesprechung der Hauptzollamts-Vorsteher des Oberfinanzbezirks Köln[35] statt. Unter Nr. 14 der Tagesordnung stand das Ausbildungslager Differdingen. Es musste nämlich wieder aufgegeben werden, weil die Räume der Kantine des Hüttenwerkes der Zollverwaltung gekündigt worden waren. Im Juni 1943 wurde das Lager nach Mersch verlegt und im dortigen Schloss untergebracht. Da die Toreinfahrt für die Durchfahrt von größeren Lastwagen nicht breit genug war, musste sie erweitert werden. Fünf Ausbilder bildeten in vierwöchigen Lehrgängen jeweils 35 Zollgrenzschutzbeamte aus[36]. Spätestens mit der Flucht der deutschen Verwaltung Ende August/Anfang September 1944 dürfte es aufgehört haben, zu existieren.
Bild 4: Das Schloss in Mersch, in dem das Zollgrenzschutz-Ausbildungslager untergebracht war, 1943.
Schlussbetrachtung
Im Zollgrenzschutz-Ausbildungslager Differdingen könnten von Februar 1942 bis etwa Ende September 1942, wenn man von einer jeweils vierwöchigen Dauer ausgeht, acht Lehrgänge abgehalten worden sein. Obwohl in dem Lager 100 Grenzschutzmänner untergebracht werden konnten, wurde es - zumindest während des ersten und vierten[37] Lehrgangs - lediglich mit 50 bis 60 Männern belegt. Ob die Belegung bei den übrigen Lehrgängen anders war, ist nicht bekannt.
Lagerführer Bezirkszollkommissar G Wicke scheint, wenn man die Auszüge seiner Ansprachen liest, vom Nationalsozialismus überzeugt gewesen zu sein. Das Gleiche dürfte ebenfalls auf die Ausbilder zutreffen. Während ihrer Ausbildung wurden die Teilnehmer auf ihre Aufgabe in den besetzten Gebieten umfassend vorbereitet. Da sie dort ständig mit ihnen feindlich gesinnter Bevölkerung zusammentreffen würden und es nicht ausbleiben konnte, auch in Kampfhandlungen verwickelt zu werden, wurde großer Wert auf die militärische Ausbildung gelegt. Gleichzeitig wurden sie aufgefordert, die Bevölkerung für die nationalsozialistische Ideologie zu gewinnen
Abkürzungen
S. Seite
Vgl. Vergleiche
Hinweise
Für notwendig gehaltene Ergänzungen oder Erläuterungen wurden in eckige Klammern gesetzt. Die Orthografie wurde der heutigen Rechtschreibung angepasst.
Quellen-, Literaturverzeichnis u.a.
I. Unveröffentlichte Quellen
Archives Nationales Luxembourg: Fonds ”Chef der Zivilverwaltung”: Die deutsche Zollverwaltung in Luxemburg 1-169, B-3:003
II. Veröffentlichte Quellen
„Escher Tageblatt“ vom 19., 20. Februar 1942, 7./8. März 1942, 22. Juli 1942
„Luxemburger Wort“ vom 19., 20. Februar 1942, 9. März 1942, 13. April 1942, 8. Mai 1942, 4. Oktober 1942
III. Literatur
Eulitz, Dr., Walter:
Der Zollgrenzdienst. Seine Geschichte vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart,
Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen (Heft 6), Bonn 1961
Zuckarelli, Detlev:
Die deutsche Zollverwaltung in Luxemburg 1940 bis 1944 - Versuch einer Rekonstruktion, Luxemburg 2008
IV. Internetpräsentation
Zollgrenzschutz: http://www.zollgrenzschutz.de/personen
Bildnachweis
„Escher Tageblatt“ vom 20. Februar 1942 - Bild 1, 2
„Luxemburger Wort“ vom 19. Februar 1942 - Bild 3
Geschichtsverein Mersch (Luxemburg) - Bild 4
Fußnoten
[1] Aus der Rede des Direktors der Differdinger Stahlwerke AG Kruse beim Kameradschaftsabend anlässlich der Eröffnung des Zollgrenzschutz-Ausbildungslagers Differdingen am 19. Februar 1942
[2] Das Buch wurde von der Lëtzebuerger Douane’s Gewerkschaft (LDG) herausgegeben und kann bezogen werden bei: Lëtzebuerger Douane's Gewerkschaft (LDG), Postkësch 2695, L-1026 Luxemburg, Tel.: 0035 661 28 04 18, E-Mail:
[3] Vgl. Anmerkung 2, S. 64 f.
[4] Die Aufgabe des Zollgrenzschutzes ist im § 41 des Zollgesetzes 20. März 1939 (Reichsgesetzblatt.I S. 529) folgendermaßen bestimmt:
”(1) Der Zollgrenzschutz sichert die Zollgrenze und überwacht den Warenverkehr im Zollgrenzbezirk und in den Zollausschlüssen.
(2) Der Zollgrenzschutz ist bewaffnet. Er trägt im Dienst Uniform oder nach Anordnung bürgerliche Kleidung.“
[5] Hilfszollbetriebsassistenten waren ursprünglich mit dem Dienstgrad von Hilfsgrenzangestellten, welche die Zollgrenzschutzreserve bildeten, als Ersatz für im Laufe des Krieges in die Wehrmacht einberufene Beamte des Zollgrenzschutzes zum Dienst verpflichtet worden. Bei guten Leistungen konnten sie unter bestimmten Voraussetzungen zu Hilfszollassistenten befördert werden.
[6] „Escher Tageblatt“ vom 19. Februar 1942
[7] „Luxemburger Wort“ vom 19. Februar 1942
[8] „G“ steht für „Grenze“
[9] Nach Auswertung der bisherigen Erkenntnisse über das Zollgrenzschutz-Ausbildungslager dürfte es sich bei Wicke um Karl Ernst Wicke handeln, der in den 1950er und 1960er Jahren als Zollrat bzw. Regierungsrat Vorsteher der Hauptzollämter Hof und Mainz gewesen war. Während seiner Tätigkeit in Hof gründete er die dortige Zollkapelle. Informationen über die Tätigkeit von Wicke in Differdingen konnte das dortige Bürgeramt nicht geben (E-mail vom 25.2.2010).
[10] „Z“ steht für „Zoll“
[11] Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
[12] Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps. Es war in der Verkehrserziehung tätig und bildete seine Mitglieder im Führen und Warten von Kraftfahrzeugen aus.
[13] Vgl. Anmerkung 7
[14] Vgl. Anmerkung 7
[15] Walter Eulitz: Der Zollgrenzdienst. Seine Geschichte vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen (Heft 6), Bonn 1968, S. 130 f.
[16] Vgl. Anmerkung 6
[17] Vgl. Anmerkung 7
[18] Vgl. Anmerkung 6
[19] „Escher Tageblatt“ vom 20. Februar 1942
[20] Vgl. Anmerkung 19
[21] Vgl. Anmerkung 19
[22] „Luxemburger Wort“ vom 20.2.1942
[23] Bei dem Lied „Vom Zollgrenzschutz“ dürfte es sich um das von Wicke komponierte und geschriebene „Marschlied des Zollgrenzschutzes“ handeln. Es hat vier Strophen, wobei nach jeder Strophe ein Refrain gesungen wird. Der vollständige Text ist hier veröffentlicht.
[24] Vgl. Anmerkung 22
Bei dem „Gruß an den Führer“ handelt es sich um den so genannten Deutschen Gruß, auch Hitlergruß genannt, der während der nationalsozialistischen Zeit verbindlich vorgeschrieben war. Dabei wurde der rechte Arm mit der flachen Hand etwa in Höhe der Augen schräg nach oben gestreckt und die Worte „Heil Hitler“ oder „Sieg Heil“ gesprochen.
Unter „Liedern der Nation“ sind die erste Strophe des Deutschlandliedes und dem ihm folgenden Horst-Wessel-Lied - das Parteilied der NSDAP - zu verstehen.
[25] „Escher Tageblatt“ vom 7./8. März 1942
[26] Zollinspektor Greib besetzte in den frühen Morgenstunden des 10. Mai 1940 gemeinsam mit Bezirkszollzollkommissar G Baschta, der während der deutschen Besetzung zeitweise das Bezirkszollkommissariat G Petingen (Pétange) leitete, das Zollamt Remich, vgl. Anmerkung 2, S. 19 f.
[27] „Luxemburger Wort“ vom 9. März 1942
[28] Vgl. Anmerkung 27
[29] Vgl. Anmerkung 25
[30] Vgl. Anmerkung 25
[31] „Luxemburger Wort“ vom 13. April 1942
[32] „Luxemburger Wort“ vom 8. Mai 1942
[33] „Escher Tageblatt“ vom 22. Juli 1942
[34] Vgl. Anmerkung 33
[35] Roger Hilbert: D'Geschicht vu Miersch, 2. Deel: Dat neit Miersch, und Auskunft von Herrn Nico Lucas, Mersch (Luxemburg)
[36] Archives Nationales Luxembourg: Fonds ”Chef der Zivilverwaltung”: B-3-003
[37] Vgl. Anmerkung 32