Der Einsatz von eigenen Flugzeugen und Flugpersonal gehört zu den weniger bekannten Fakten über die Reichsfinanzverwaltung. Ende der 1920er Jahre sollte der Alkoholschmuggel auf der Ostsee bekämpft werden, Anfang der 40er Jahre ging es um eine medizinische Versorgung in abgelegenen Einsatzgebieten des Zollgrenzschutzes.
In den 1920er Jahren muss der Alkoholschmuggel über die Ostsee anscheinend unhaltbare Zustände angenommen haben. Zwar setzte die Reichsfinanzverwaltung (RFV) auf der Ostsee zahlreiche Zollkreuzer ein, aber die konnten das große Gebiet nicht lückenlos überwachen und Radar gab es damals noch nicht. Insofern war eine zentrale Koordination der Zolldienststellen zu Wasser und an Land nötig, um den Schmuggel wirksam bekämpfen zu können. Ab 1927 setzte die RFV ein Wasserflugzeug ein, bei dem es sich vermutlich um eine Junkers W34 handelte. Das Flugzeug unterstand dem Landesfinanzamt Schleswig-Holstein, genauer gesagt der Zollfahndungsstelle Warnemünde, und hatte seine Stationen in Holtenau, Warnemünde und Altdamm. Die Piloten hießen Both und Bruhn. Nach 1927 verliert sich die Spur wieder, über den Erfolg der Maßnahme und den weiteren Einsatz ist bisher nichts bekannt.
Mit dem Einsatz im Generalgouvernement kam der Zollgrenzschutz mitunter in sehr abgelegene Gebiete ohne nennenswerte Infrastruktur und ohne ärztliche Versorgung. Anscheinend gab es 1940 einen Vorfall, bei dem ein Zöllner schwer erkrankte und mühsam durch unwegsames Gelände und sehr schlechte Straßen zum weit entfernten Arzt gebracht werden musste. Die Lösung des Problems sah die Reichsfinanzverwaltung in der Anschaffung und den Betrieb von eigenen Flugzeugen. Warum man keine Vereinbarung mit der Luftwaffe schloss und welche Lösung andere Organisationen wählten ist nicht bekannt, denn eine Art Sanitätsdienst wollte der Zoll sicherlich nicht unterhalten. Möglicherweise gab es aber weitere Hintergedanken, welche die militärische Führung auch unterstützte. Das unwegsame Gelände erschwerte die Grenzbewachung erheblich und eine (militärische) Beobachtung der Grenzen mit der Sowjetunion sowie der Vorgänge hinter der Grenze konnte in Konflikten münden. Sanitätsflugzeuge bzw. Zollflieger waren allerdings weitestgehend unverdächtig und verschleierten die tatsächlichen Absichten. Jedenfalls entsteht der Eindruck, dass die Luftwaffe die Zollfliegerei nicht als Konkurrenz ansah und sie vielmehr unterstützte.
Man benötigte ein kleines Flugzeug, das mit unebenem Untergrund zurecht kam und nur einen kurzen Lande- bzw. Startweg benötigte. Hier bot sich die Fieseler Fi 156 (Spitzname: Storch) an, mit einer Mindestgeschwindigkeit von ca. 50 km/h und Startstrecke von nur 50m. Die Zollfliegerei begann im Februar 1941 mit der Übernahme von zwei Störchen bei den Fieseler Werken in Kassel. Dabei handelte es sich um Sanitätsmaschinen (die genaue Version ist nicht bekannt), die in Sanitätsbemalung ausgeliefert wurden und die zivilen Luftfahrzeugkennzeichen (Zivilkennzeichen) D-ECAD und D-EAPG erhielten.
Der Zoll hatte in den eigenen Reihen schon 1940 nach Fliegerpersonal gesucht und ausgebildet, sodass Zollpiloten ab etwa Mitte 1941 zur Verfügung standen. Bis dahin stellte die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) 2 Piloten zur Verfügung, sie überführten die Maschinen in mehreren Etappen ins Generalgouvernement. Den ursprünglichen Zweck erfüllten die Maschinen nicht, vielmehr wurden sie für Kurierflüge, Inspektionsreisen, militärische Erkundungen an der Grenze und den Transport von Ausrüstung eingesetzt. Dabei gehörte auch Personal der Wehrmacht zu den Passagieren. Erst gegen Herbst 1941 erhielten die Maschinen die militärischen Stammkennzeichen SI+GE und SI+GF sowie die Aufschrift Zoll 1 bzw. Zoll 2. Zeitgleich dürften sie auf das Farbschema der Luftwaffe umspritzt worden sein.
Über die genaue Zahl der Besatzungen sind keine endgültigen Informationen vorhanden. Sicher scheint nur, dass die DVL-Piloten im Sommer 1941 abberufen wurden und dann Zollpersonal die Flugzeuge übernahm. Die Bordwarte hatten neben der Zuständigkeit für die Technik auch für Landeplätze zu sorgen und verfügten dazu über Motorräder mit Beiwagen.
Name | Organisation | Funktion | Flugzeug | Anmerkung |
---|---|---|---|---|
Franz Amann | Zoll | - | - | Nur Ausbildung, vermutlich kein Einsatz |
Karl Debelius | Zoll | Flugzeugführer | Zoll 2 | Nov./Dez 1941 auf Zoll 1, ab März 1942 auf Zoll 2 |
Franz Porhansl | Zoll | Flugzeugführer | Zoll 1 ? | Erhielt 1944 das Kriegsverdienstkreuz, war im Okt. 1944 auf dem Flughafen Franzfeld/Banat |
Herbert Rex | Zoll | Bordwart | ? | - |
Franz Scheiber | DVL | Flugzeugführer | Zoll 2 | Einsatz Februar - Sommer 1941 |
Kurt Seiffert | DVL | Flugzeugführer | Zoll 1 | Einsatz Februar - Sommer 1941 |
Albert Uhle | Zoll | Bordwart | ? | - |
Werner Wandesleben | Zoll | Flugzeugführer | Zoll 1 | - |
Fritz Wittmann | Zoll | Bordwart | Zoll 2 | - |
Während die DVL-Piloten in der Regel Zivilkleidung trugen, verwendeten die Zollpiloten Fliegerkombinationen (für Sommer und Winter) und die Bordwarte Monteuranzüge. Darunter trugen die Zöllner die normale Dienstkleidung. Anscheinend dachte das Ministerium über die Anschaffung von Fallschirmen nach. Jedoch war der Absprung aus dem engen Flugzeug nicht möglich und das Flugzeug nach Angabe der Fieseler-Werke auch ohne Fallschirm zugelassen.
Eine ebenfalls angedachte Schutzkleidung für die auf dem Notsitz mitfliegenden Passagiere bestand am Ende aus Pelzmantel, Winterhaube und einem Pelzfußsack.
Zoll 1 (D-ECAD / SI+GF)
Nach der Übernahme im Februar 1941 war die Maschine zunächst in Biala-Podlaska im Norden des Generalgouvernements stationiert, vermutlich mit dem DVL-Piloten Karl Seiffert. Spätestens im Juli 1941 lag Zoll 1 in Mogilew beim Zollgrenzschutz Mitte mit dem Piloten Wandesleben. Im Winter 1941 wurde die Maschine durch Absturz zerstört (Wandesleben überlebte) und zu einem noch unbekannten Zeitpunkt ersetzt. Sie soll zumindest zeitweise vom Zollgrenzschutz Nord (mit)genutzt worden sein. Im Herbst 1943 verlegte die Maschine zum Zollgrenzschutz Ukraine, das weitere Schicksal ist nicht bekannt.
Zoll 2 (D-EAPG / SI+GE)
Nach der Übernahme im Februar 1941 war die Maschine zunächst in Krosno im Süden des Zollgrenzschutzes Generalgouvernement stationiert mit dem DVL-Piloten Franz Scheiber. Spätestens im Juli 1941 lag Zoll 2 im Bereich des Zollgrenzschutzes Süd. Nach Auflösung der Dienststelle verlegte die Maschine Anfang 1943 zum Zollgrenzschutz Schwarzes Meer. Dort ist die Maschine 1944 abgeschossen worden, ob es zu Opfern kam ist bisher nicht bekannt.
Zoll 3
Möglicherweise war ein drittes Flugzeug beim Zollgrenzschutz im Einsatz. Hierbei kann es sich um den Ersatz für die im Winter 1941 abgestürzte Maschine handeln. Andererseits gab es Pläne, Maschinen auch beim Zollgrenzschutz Rumänien und beim Zollgrenzschutz Nord einzusetzen, was aber wohl nicht durchgeführt wurde.