Detlev Zuckarelli hat einen weiteren Artikel über den Zollgrenzschutz zur Verfügung gestellt. Herzlichen Dank für den sehr lesenswerten und toll recherchierten Beitrag. Alle Rechte liegen bei ihm.
ein deutscher Bezirkszollkommissar G[1] im besetzten Luxemburg
von Detlev Zuckarelli
Als die deutsche Wehrmacht am 10. Mai 1940 Luxemburg besetzt hatte, war dies das faktische Ende des Großherzogtums. Ab 1. August 1940 wurde es von einem Chef der Zivilverwaltung verwaltet, der seinen Sitz in der Stadt Luxemburg hatte. Chef der Zivilverwaltung war der Gauleiter der NSDAP[2] des Gaues Koblenz-Trier[3] Gustav Simon, der Adolf Hitler unmittelbar verantwortlich war. Die luxemburgischen Verwaltungen wurden nach und nach den deutschen Verwaltungen angepasst. Hiervon war auch die Zollverwaltung mit ihrer Direktion, ihren Zollämtern und Aufsichtsposten betroffen. Wenn die Zollbeamten weiterhin ihre bisherige Tätigkeit ausüben wollten, mussten sie sich schriftlich verpflichten, „…alle Anordnungen der deutschen Zivilverwaltung in Luxemburg und der von ihr in Luxemburg eingesetzten Dienststellen gewissenhaft durchzuführen“. Doch die Weiterbeschäftigung bedeutete grundsätzlich nicht, dass sie weiterhin im früheren Großherzogtum arbeiten konnten, schon gar nicht im Dienst an den Grenzen zu Belgien und Frankreich. Stattdessen wurden viele von ihnen in das Reichsgebiet versetzt oder fanden eine Verwendung in anderen Verwaltungen.
Die Zollverwaltung im besetzten Luxemburg erhielt nun einen Organisationsaufbau wie im Reich. In der Stadt Luxemburg wurde ein Hauptzollamt eingerichtet, dem Zollämter angegliedert waren und zur Bewachung der Grenzen Bezirkszollkommissariate G, die jeweils ein Bezirkszollkommissar G leitete. Im August 1940 bestanden Bezirkszollkommissariate G in Wiltz, Bauschleiden (Boulaide), Redingen (Redange), Steinfort und Petingen (Pétange) mit einem dichten Netz von Zollaufsichtsstellen G entlang den Grenzen zu Belgien und Frankreich. Bei diesen Dienststellen waren aus Sicherheitsgründen nur deutsche Zollbeamte beschäftigt, deren Zahl insgesamt zwischen 400 und 600 Personen schwankte.
Zum 1. August 1941 erfolgte eine Umorganisation, weil sich herausgestellt hatte, dass das Gebiet Luxemburgs für die Verwaltung durch ein einziges Hauptzollamt zu groß war. In Ettelbrück wurde daher ein weiteres Hauptzollamt eingerichtet, dem drei der bisherigen Bezirkszollkommissariate G mit ihren Zollaufsichtsstellen zugeteilt wurden. Vermutlich in Zusammenhang mit dieser Maßnahme wurde zum gleichen Zeitpunkt Hobscheid, ein nahe der belgischen Grenze liegender kleiner Ort, Sitz eines Bezirkszollkommissariats G, das von 1941 bis 1943 der Bezirkszollkommissar G Walter Hamprecht leitete.
Wer war Walter Hamprecht?
Bild 1: Zollinspektor Walter Hamprecht
Walter Hamprecht, geboren am 23. März 1903, stammte aus Dresden. Nach dem Abitur leistete er seinen Wehrdienst ab, den er als Offiziersanwärter beendete. Der Abgang als Offiziersanwärter war eine der Voraussetzungen, um in den gehobenen Dienst der Reichszollverwaltung übernommen zu werden. Seinen ersten Posten trat er als Oberzollsekretär[4] beim deutsch-tschechischen Gemeinschaftszollamt Bodenbach an, wo er auch seine spätere Frau kennenlernte und erste Erfahrungen im Dienst an der Reichsgrenze sammelte. Als seine Zeit dort im Jahre 1937 beendet war, erhielt er seine Versetzung an das Bezirkszollkommissariat G Königstein in der Sächsischen Schweiz, ebenfalls an der deutsch-tschechischen Grenze. Seine Dienststellung war jetzt die eines so genannten Gehilfen, worunter der ständige Vertreter eines Bezirkszollkommissars G zu verstehen war, also eine Führungsposition.[5] Es muss ein unruhiger Grenzabschnitt gewesen sein, entwickelten sich doch zu dieser Zeit immer mehr die Spannungen um das Sudetenland, die schließlich am 1. September 1938 zur Besetzung des Gebiets durch deutsche Truppen führten. Zu Hamprechts Aufgaben gehörte es auch, deutsche Agenten sicher an und über die grüne Grenze in die Tschechoslowakei zu bringen sowie von dort ankommende Agenten an die zuständigen Stellen der Wehrmacht weiterzureichen. Darüber hinaus war auch seine Frau in diese besondere Tätigkeit eingebunden, indem sie zu Hause verschlüsselte Telefongespräche entgegennahm und weiterleitete.[6]
Etwa im September 1939 wurde Walter Hamprecht nach Dresden versetzt, wo er nun mit seiner Familie wohnte. Dort hielt er sich nicht lange auf, denn 1941 erreichte ihn die Versetzung in den Bezirk des Oberfinanzpräsidiums Köln, dem die Organisation der Zollverwaltung im besetzten Luxemburg sowie den belgischen Gebieten um Eupen und Malmedy, die bis zum ersten Weltkrieg zum Deutschen Reich gehört hatten, oblag. Die Familie blieb in Dresden zurück[7].
Seine neue Dienststelle wurde ab 8. April 1941 das Bezirkszollkommissariat G in dem belgischen Dorf Xhoffraix, etwa acht Kilometer von Malmedy entfernt, wo das zuständige Hauptzollamt seinen Sitz hatte. Das Bezirkszollkommissariat G wurde kurze Zeit später in das etwa sechs Kilometer entfernte Dorf Bévercé, nahe Malmedy, verlegt. In Bévercé bezog Hamprecht Quartier in der Schankwirtschaft der Familie Maréchal. Wie in Königstein war er auch in Xhoffraix bzw. Bévercé Gehilfe. Leiter des Bezirkszollkommissariats war Bezirkszollkommissar G v.d. Osten, den ein vierköpfiger Stab bei seiner Arbeit unterstützte. Dem Bezirkszollkommissariat unterstanden drei Grenzaufsichtsstellen G, nämlich in Bernister, ein kleines Dorf in 500 Meter Höhe gelegen, Mont, das auf der Serpentinenstraße Malmedy-Eupen zu erreichen ist, und Waronneux, nahe Lüttich in Wallonien. Besetzt waren die Grenzaufsichtsstellen mit jeweils etwa 20 Beamten. Untergebracht waren diese in Gemeinschaftsunterkünften: in Bernister in einer Baracke und ansonsten in beschlagnahmten Häusern. Die Verpflegung erfolgte ebenfalls gemeinschaftlich.
Alle Beamten von Bezirkszollkommissariaten G und Grenzaufsichtsstellen G bildeten den Zollgrenzschutz. Hierzu gehörten auch die Amtsträger von Grenzzollstellen.
Bild 2: Gebäude des Bezirkszollkommissariats G Bévercé, 1941
Bild 3: Der Stab des Bezirkszollkommissariats G Bévercé, 1941 Vordere Reihe: zweite Person links: Bezirkszollkommissar G v.d. Osten, zweite Person rechts: Zollinspektor Walter Hamprecht
Bild 4: Grenzaufsichtsstelle Mont und Zollgrenzschutzbeamte, 1941
Bild 5: Grenzaufsichtsstelle Waronneux und Zollgrenzschutzbeamte, 1941
Bild 6: Gemeinschaftsunterkunft der Zollgrenzschutzbeamten in Bévercé, 1941
Während seiner Zeit in Bévercé erhielt Hamprecht aufgrund der Kriegsverhältnisse wenig Urlaub, so dass seine Familie ihn am Dienstort besuchte. In Bévercé blieb er bis zum 15. September 1941. Nach der Tätigkeit in Belgien war ursprünglich seine Versetzung an das Reichsfinanzministerium in Berlin vorgesehen, die aber aus heute unbekannten Gründen nicht zustande kam. Inzwischen hielt ihn der Oberfinanzpräsident Köln, Dr. Werner Kühne, für geeignet, selbst ein Bezirkszollkommissariat G zu leiten und versetzte ihn nach Hobscheid in Luxemburg.
Hobscheid ist ein kleiner, von Wäldern umgebener Ort nahe der belgischen Grenze, der im Jahre 1941 348 steuerpflichtige Einwohner zählte. Sie waren in erster Linie Bauern und Schmelzarbeiter, die in den Hüttenwerken von Rodingen, Belval und Differdingen ihr Brot verdienten.
Bild 7: Hobscheid in den 1930er Jahren
Außerdem gab es noch einige Eisenbahner. In der Mitte des Ortes in der Grosstraße 20 (damalige Schreibweise; heute: 20-22, Grand’rue) stand - auch noch heute - das Gebäude der Salle Union, das 1935 als gemeinsames Haus vom Gesang- und Musikverein sowie der Feuerwehr errichtet worden war.[8] Im rechts vom Gebäude etwas zurückliegenden Probesaal, welcher im Jahre 2002 abgerissen wurde, war das neu eingerichtete Bezirkszollkommissariat G Hobscheid untergebracht, auf das ein einfaches weißes Schild mit schwarzer Aufschrift hinwies.
Bild 8: Gebäude des Bezirkszollkommissariats G Hobscheid, 1. Januar 1942
Der Bezirk umfasste die Gemeinden Beckerich, Hobscheid, Saeul und Simmern. Die etwa 63 Beamten waren auf neun Grenzaufsichtsstellen entlang der 16 Kilometer langen Grenze verteilt, deren Überwachung sie sicherzustellen hatten. In Oberpallen und Gaichel befanden sich Zollämter[9].
Bild 9: Zollamt Oberpallen, 26. Januar 1942; davor: Dienstwagen Opel P 4 von Walter Hamprecht und Zollgrenzschutzbeamter
Bild 10: Zollamt Gaichel am 20. April 1942: Das Zollamt war an diesem Tage wegen Hitlers Geburtstag mit Hakenkreuz-Fähnchen geschmückt
Daneben gab es noch Grenzübergangsstellen für den kleinen Grenzverkehr wie bei Eischen an der Renterter Kapelle oder am Steinkreuz (Grenzstein 96), die nur mit einem Grenzausweis passiert werden konnten. Hierdurch sollte das tägliche Leben der Grenzbewohner, das auf beiden Seiten durch soziale und wirtschaftliche Beziehungen eng miteinander verflochten war, erleichtert werden. Untergebracht waren die Beamten, wie in Belgien, meist in Gemeinschaftsunterkünften mit Gemeinschaftsverpflegung, so in Eischen in den Häusern Nummer 4 und 5 in der heutigen Rue de la Vallée.[10] Hauptaufgabe war, illegale Grenzübertritte zu verhindern.
Bild 11: Gemeinschaftsunterkunft der Zollgrenzschutzbeamten in Eischen in den Häusern Nummer 4 und 5 in der heutigen Rue de la Vallée, 31. August 1942
Bild 12: Übergang „Renterter Kapelle“: die Zollreservisten Prinz und Wenzel bei einer Kontrolle
Bild 13: Übergang Clairefontaine: Zollassistent Heep mit Hund Argus; an der Schranke: Frau Hamprecht mit Sohn Günther, 2. August 1942
Markiert war die Grenze durch gusseiserne Grenzsäulen, die im Erdreich einen oktogonalen Sockel als Basis aufweisen. Der konische sichtbare Teil zeigte gegenüberliegend die Wappen von Luxemburg und Belgien erhaben im Gussrelief. Man sah also immer das Wappen des Landes, in dem man sich befand. Die Säulen der belgisch-luxemburgischen Grenze trugen laufende Nummern und sind mit der Jahreszahl 1843, dem Jahr der Aufstellung, versehen. Bekrönt sind die Säulen mit einem so genannten Pinienzapfen.[11] Vorgesetzte Dienststelle des Bezirkszollkommissariats G Hobscheid war das Hauptzollamt Luxemburg.
Bild 14: Grenzsäule mit dem Wappen von Luxemburg
Zollinspektor Walter Hamprecht trat seinen Dienst am 16. September 1941 in Hobscheid an. Der Oberfinanzpräsident Köln hatte ihn hierhin mit der Zusage versetzt, ihn zum Bezirkszollkommissar G zu befördern, wenn er die Probleme, die zwischen den Beamten und der Bevölkerung aufgetreten waren, beseitigen und für eine ordnungsgemäße Dienstverrichtung sorgen würde. Die Beamten waren wohl zu herrisch als Besatzer aufgetreten und hatten dadurch das Vertrauen der Einheimischen nicht gewinnen können - ein auch ohnehin schwieriges Unterfangen. Manche Beamte waren häufig Besucher der beiden Hobscheider Cafés Bernardy und Ruppert sowie der Gastwirtschaft Scheuer und zeigten oft mehr Interesse am weiblichen Teil der Bevölkerung als am Dienst. Dieses Verhalten hatte immer wieder zu Beschwerden Anlass gegeben. Wenn Vorgesetzte daraufhin die betreffenden Beamten zur Rede stellten, hatten sie sich als Mitglieder der NSDAP bisher stets hinter ihrem Parteibuch verschanzt, das ihnen als Freibrief für ihr ungebührliches Verhalten diente. Ein Beispiel war Max Hartmann[12], der ein fanatischer Nationalsozialist war und sich entsprechend benahm.[13] Um es vorweg zu nehmen: Hamprecht löste die vorgefundenen Probleme und wurde zum Bezirkszollkommissar G ernannt.
Walter Hamprecht hatte als Bezirkszollkommissar G eine herausgehobene Stellung inne - man würde sie heute als Führungsposition bezeichnen - , denn nur solche Beamte wurden damit betraut, deren Kenntnisse und Fähigkeiten als mindestens uneingeschränkt „Gut“ eingestuft wurden und die allen an sie herantretenden Situationen gewachsen waren. Fachlich und charakterlich mussten sie „besonders hohen Anforderungen“ entsprechen. Dabei sollten sie als „Auslese“ nicht nur Vorbild ihrer Grenzaufsichtsbeamten, sondern auch ihrer „Berufskameraden“ sein. Dem Geist der damaligen Zeit entsprechend, waren die Teilnahme am ersten Weltkrieg oder „die vorbildliche Ableistung der Wehrpflicht“ und der Wille, „nach nationalsozialistischen Grundsätzen zu handeln“, weitere Anforderungen, genauso wie die Mitgliedschaft in der NSDAP. Diese Erwartungen an den Bezirkszollkommissar G sind umso verständlicher, als aus dem Kreis dieser Beamten nach „tadelloser Bewährung“ vor allem die späteren Vorsteher von Hauptzollämtern gewonnen werden sollten.[14] Nach alledem hätte Walter Hamprecht gute Chancen gehabt, in der Reichszollverwaltung eines Tages so etwas wie Karriere zu machen.
Sein Quartier hatte er 1941 in der Grosstraße Nr. 13 (heute 13, Grand’ rue) bei Théodore Prommenschenckel. Gegenüber dem Haus stand die Kapelle zum Heiligen Kreuz. Später zog er in das Gasthaus Reiland-Bartz, Eischener Weg 1 (heute: 1, rue d’Eischen), um.[15]
Bild 15: Hamprechts Quartier in Hobscheid in der Grosstrasse 13, 2012
Bild 16: Hamprechts Quartier in Hobscheid im Gasthaus Reiland-Bartz, Eischener Weg 1, 28. Januar 1942
Als Bezirkszollkommissar G trug Hamprecht, der unmittelbarer Dienstvorgesetzter der Grenzaufsichtsbeamten war, hohe Verantwortung. Er war für die lückenlose Überwachung seines Grenzabschnitts verantwortlich, was die genaue Kenntnis der Verhältnisse des Bezirks voraussetzte. Wichtig für ihn waren auch Kontakte zu anderen deutschen Behörden. Dabei war es unvermeidlich, mit Dienststellen wie denen der Partei, Geheimen Staatspolizei, Sicherheitspolizei oder ähnlichen Behörden zusammenzuarbeiten. Von Zeit zu Zeit fuhr er nach Luxemburg, um beim Hauptzollamt Bericht zu erstatten, Weisungen zu empfangen, an Tagungen teilzunehmen, beispielsweise an der Tagung der Hauptzollamts-Vorsteher und der Bezirkszollkommissare G des Oberfinanzpräsidenten Köln[16] oder Veranstaltungen der Zollverwaltung beizuwohnen wie der Einweihung des Zollgrenzschutz-Ausbildungslagers in Differdingen.[17]
Von Wichtigkeit war für ihn, dass er sich über das Geschehen in seinem Bezirk ständig auf dem Laufenden hielt. Daher bestand sein Dienst hauptsächlich im Außendienst bei Tag und Nacht, den er sich unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse nach seinem Ermessen gestaltete und bei dem er auch die Beamten auf ihren Streifen und Postierungen überwachte. Damit die Grenze zu Belgien ohne Unterbrechungen überwacht werden konnte, stand er mit den benachbarten Bezirkszollkommissaren G in ständiger Verbindung. Über die Zollämter Oberpallen und Gaichel übte er die Geschäftsaufsicht aus.
Hamprecht regelte den Grenzaufsichtsdienst, indem er die Zollgrenzschutzbeamten nach dem jeweiligen Bedürfnis einsetzte. Er sorgte für deren fachliche und militärische Ausbildung, wobei der Waffenausbildung eine große Beachtung beigemessen wurde. Er organisierte Schießübungen auf dem Schießstand bei Hovelingen (Hovelange), veranstaltete Einsatz- und Alarmübungen entlang der Grenze und Hundeübungen.
Bild 17: Zollamt Gaichel am 20. April 1942: Auf dem Schießstand in Hovelingen
Zweimal im Jahr fanden Besichtigungen statt, bei denen der Ausbildungsstand überprüft wurde. Alle diese Maßnahmen hatten den Zweck, illegale Grenzübertritte zu verhindern, während andere Aufgaben zurücktraten.
Bild 18: Besichtigung: Überprüfung von Ausrüstungsgegenständen, 1941
Dies zeigte sich vor allem bei der verschärften Grenzüberwachung, als ab August 1942 mit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in Luxemburg viele Betroffene versuchten, sich den Gestellungsbefehlen der Wehrmacht durch Flucht ins benachbarte Ausland zu entziehen.
Für Vernehmungen von französisch sprechenden Personen hatte Hamprecht als Dolmetscher den Lehrer Edouard Kayser, der in wohlwollendem Sinne für die Beschuldigten übersetzt haben soll.[18]
Bild 19: Bezirkszollkommissar G Walter Hamprecht mit Sohn Günther, 1943
Der Dienstrang, den Hamprecht erhielt, entsprach dem eines Hauptmanns der Wehrmacht. Er trug, wie alle deutschen Zollbeamten, nicht die traditionelle „zollgrüne“ Uniform, sondern eine feldgraue, die mit der Uniform der Wehrmacht verwechselt werden konnte und ihn später noch in große Schwierigkeiten brachte.[19]
Hauptsächlich an den Schulterstücken, den Kragenspiegeln und an einem am linken Unterärmel aufgenähten Ärmelstreifen war der Unterschied zu erkennen: Auf den Schulterstücken, die aus vier nebeneinander liegenden Schnüren aus zollgrün durchwirktem Hellaluminiumgespinst bestanden, war außer zwei vierzackigen Sternen aus gelbem Metall der Namenszug „RFV“, d.h. Reichsfinanzverwaltung, ebenfalls aus gelbem Metall, aufgesteckt. Die Kragenspiegel enthielten auf zollgrünem Tuch ein mittelgroßes Akanthusblatt mit zwei Sternen und eine sägeförmige Umrandung, alle aus Hellaluminiumgespinst. Der Ärmelstreifen war aus zollgrüner Kunstseide und zeigte das Hoheitszeichen, auch aus Hellaluminiumgespinst. Als Kopfbedeckung diente eine Schirmmütze und als Bewaffnung eine Pistole.
Hamprechts Dienstwagen war ein Personenkraftwagen der Marke „Opel P 4“, später ein „Hanomag-Rekord“, mit abgedunkelten Schein- und Tarnscheinwerfern. Auf dem linken Kotflügel war die von einer Tresse eingefasste Zollflagge in Wimpelform aus zollgrünem Tuch mit beidseitigem Hoheitszeichen angebracht, während sich über dem polizeilichen Kennzeichen eine weiße Tafel mit der schwarzen Aufschrift „Zoll“ befand.
Über das Verhältnis der luxemburgischen Bevölkerung zu den deutschen Zollgrenzschutzbeamten allgemein ist wenig bekannt. Es ist naheliegend anzunehmen, dass es aus verständlichen Gründen oftmals angespannt gewesen ist. Nach Aussagen von Zeitzeugen war es zumindest in ihren eigenen Gemeinden korrekt, was jedoch auf andere Orte nicht zutreffen musste.[20] Wie es sich in einer Gemeinde letztlich gestaltete, hing weitgehend von der Person des jeweiligen Bezirkszollkommissars G ab, der für die ihm unterstellten Grenzaufsichtsbeamten eine Vorbildfunktion haben sollte und als Dienstvorgesetzter in der Lage war, ihr Verhalten gegenüber der Bevölkerung zu beeinflussen. Und auf ein einigermaßen erträgliches Verhältnis miteinander, soweit es im Krieg möglich war, legte Hamprecht großen Wert.
Seit er eine schwerkranke Frau, welcher der Arzt in Hobscheid nicht helfen konnte, trotz des in der Zollverwaltung herrschenden Treibstoffmangels nach Luxemburg in ein Krankenhaus gefahren hatte, genoss er das Vertrauen der Bevölkerung.[21] Äußerlich hatte sie ihre Ablehnung gegenüber den deutschen Zollgrenzschutzbeamten bisher durch geschlossene Fenster und zugezogene Vorhänge als Zeichen stillen Protestes gezeigt, wenn die Beamten auf den Strassen zu sehen waren.[22] Nun änderte sich das.
Wenige weitere Episoden mögen das Verhältnis Hamprechts zu den Bewohnern von Hobscheid und in diesem Zusammenhang auch zum Nationalsozialismus aufzeigen.
In einem Fall verhinderte Hamprecht, dass ein Gespräch im Café Bernardy, in dem über die „Preisen“[23] hergezogen wurde, keine schlimmen Folgen nach sich zog. Irgendjemand hatte gelauscht und den Ortsgruppenleiter der NSDAP in einem Schreiben über das Gespräch unterrichtet. Da dieser in der Angelegenheit nichts unternahm, wandte sich der Lauscher an den Chef der Zivilverwaltung, Gauleiter Gustav Simon, der den Brief an Hamprecht zur Bearbeitung weiterleitete. Hamprecht aber „…hat die Hobscheider, indem er sich für sie als Bürge stellte, derart verteidigt, dass diese stark aufgewirbelte Geschichte im Sande verlief“.[24]
Hamprecht versuchte, die Probleme mit dem Appell an die Vernunft zu lösen, wie folgendes Beispiel zeigt. Für das Schlachten, nicht nur in Schlachthöfen oder bei Metzgern, sondern auch für das private Schlachten, musste aufgrund des bis dahin in Luxemburg nicht bekannten Schlachtsteuergesetzes die Schlachtsteuer gezahlt werden, welche die Zollverwaltung überwachte und erhob. In diesem Zusammenhang war Hamprecht nicht verborgen geblieben, dass mancher Hobscheider heimlich schlachtete. Die Schlachtungen stellten zudem auch die Ernährung der Widerstandskämpfer gegen die deutschen Besetzer und der vor der Wehrpflicht fliehenden Luxemburger, die sich in den Wäldern versteckt hielten, sicher.[25] Er besprach die Angelegenheit mit dem Bürgermeister und sagte ihm, er wolle zwar nicht eingreifen, doch möge er die Bevölkerung auf die Einhaltung dieser Bestimmung hinweisen. Er sei nicht als Sieger nach Luxemburg gekommen, müsse jedoch für die Einhaltung der steuerlichen Bestimmungen sorgen und notfalls scharf gegen die Leute vorgehen, die weiterhin „schwarz“ schlachten würden. Die Schwarzschlachtungen dürften daraufhin in Hobscheid zurückgegangen sein.[26] Dieser Fall zeigt Hamprecht einerseits als pflichtbewussten Beamten, andererseits als Jemanden, der auf die Vernunft der Bevölkerung setzte, um zusätzliche Spannungen zwischen ihr und den deutschen Besetzern zu vermeiden.
Wie sich Hamprecht für die örtlichen Belange einsetzte, zeigt seine Mitarbeit an dem 1935 begonnenen, stark verschuldeten und 1941 noch immer nicht fertigen Bau der Salle Union, deren Innenwände noch im rohen Gipsputz standen. Er ließ - ohne die Gemeinde Hobscheid mit Kosten zu belasten - die Wände von zwei seiner Beamten anstreichen und mit Motiven des Rattenfängers von Hameln und Schneewittchens bemalen.[27] Als er 1943 Hobscheid verlassen und nach Beckerich gezogen war, zahlte er noch ein Jahr lang Miete für den Raum des Bezirkszollkommissariats G - wahrscheinlich aus der eigenen Tasche -, um damit die Fertigstellung des Baus weiterhin zu unterstützen. Gleichzeitig verhinderte er hierdurch, dass sich der Ortsgruppenleiter der NSDAP, den er offenbar wenig schätzte, in der Salle Union niederlassen konnte.[28]
Der bereits erwähnte Max Hartmann wollte den Lehrer Gustave List bewegen, in die NSDAP einzutreten, was diesen zu der Äußerung veranlasste, wenn er Nazi wäre, wäre er bereits an der Ostfront. Hartmann antwortete ihm, er habe sich schon mehrfach dorthin gemeldet, doch man habe ihn nicht fortgehen lassen. List erzählte dies Hamprecht, der daraufhin Hartmann ein Blatt zur Unterschrift vorlegte und ihm zusicherte, wenn er dies unterschreibe, sei er innerhalb von drei Tagen an der Ostfront. Wie nicht anders zu erwarten, unterschrieb Hartmann nicht - und hatte 14 Tage lang Durchfall.[29]
Alles in allem hatte Hamprecht seine Beamten dazu gebracht, ihren Dienst ordentlich zu verrichten und sich gegenüber den Einwohnern anständig zu verhalten.
Walter Hamprechts nächster Dienstort war Beckerich, wo vermutlich im Jahre 1943 im Rahmen einer Umorganisation ein Bezirkszollkommissariat G eingerichtet wurde.[30] Die Dienststelle in Hobscheid wurde stattdessen aufgelöst. Die Zollaufsichtsstellen G - so die inzwischen neue Bezeichnung für die Grenzaufsichtsstellen - des Hobscheider Bezirkes Oberpallen Nord, Oberpallen-Süd, Beckerich, Hovelingen, Eischen-Süd und Eischen-Nord sowie die Zollämter II Oberpallen und Gaichel gehörten nun zum Bezirkszollkommissariat G Beckerich, über das kaum Überlieferungen vorhanden sind.[31] Die Zollaufsichtsstelle G Beckerich war in einem anderen Haus als das Bezirkszollkommissariat untergebracht.
Bild 20: Gebäude des Bezirkszollkommissariats G Beckerich; auf der Bank: Frau Hamprecht mit ihren Söhnen, 1943
Bild 21: Zollaufsichtsstelle G Beckerich und Zollgrenzschutzbeamte
Bild 22: Zollaufsichtsstelle G Oberpallen-Süd und Zollgrenzschutzbeamte, 26. Januar 1942
Bild 23: Zollaufsichtstelle G Hovelingen am 20. April 1942: Das Gebäude war an diesem Tage wegen Hitlers Geburtstag mit einer Girlande, Hakenkreuz-Fähnchen und einem Bild Hitlers über der Haustüre geschmückt.
Die letzte Dienststelle im besetzten Luxemburg, die Walter Hambrecht 1944 bis zur Befreiung des Großherzogtums durch die Amerikaner Anfang September 1944 leitete, war das Bezirkszollkommissariat G Petingen. Während die Dienststelle anfangs, d. h. im Mai 1940, in der Parkstraße 20 untergebracht war, befand sie sich bereits seit längerer Zeit in einem Eckgebäude aus Backstein auf der rechten Seite der heutigen rue de l'Hôtel de Ville gegenüber dem Stadthaus[32].
Bild 24: Gebäude des Bezirkszollkommissariats G Petingen (rechts), gegenüberliegend die Kantine, 1967.
Das auf der Ecke gegenüber liegende damalige Café diente den Zollbeamten als „Kantine“. Zum Bezirk gehörten die Gemeinden Petingen, Differdingen und Sassenheim (Sanem). Hier lagen außerdem das wichtige Zollamt I Rodingen-Bahnhof und die Zollämter II Rodingen-Hütte und Rodingen-Longwyerstraße, die der Geschäftsaufsicht von Hamprecht unterstanden.
Bild 25: Zollamt im Bezirk des Bezirkszollkommissariats G Petingen
Zum ersten Mal seit seiner Versetzung nach Belgien und Luxemburg hatte Hamprecht seine Familie an seinen Dienstort nachholen können. Im Mai 1944 zog sie von Dresden nach Petingen um und wohnte in der Bahnhofstrasse 16. Der Kunstmaler in Zöllneruniform, der bereits die Salle Union ausgemalt hatte, verschönerte auch das Kinderzimmer der Söhne Hamprechts mit Figuren von Walt Disney.[33] Der Aufenthalt dauerte nur wenige Monate. Als die deutsche Zollverwaltung den Umzug nach Petingen genehmigte, hatte sie offensichtlich noch mit einer längeren Dauer der Besetzung des Landes gerechnet. Bei etwas kritischer Betrachtung hätte sie das baldige Ende jedoch schon absehen können.
Bild 26: Wohnung der Familie Hamprecht in Petingen 1944 in der Bahnhofstrasse 16, 1967
Über die dienstliche Tätigkeit von Hamprecht in Petingen liegen kaum Informationen vor. In der ersten Zeit begegnete er hier - wie in Hobscheid - den gleichen Problemen im Verhalten der Beamten gegenüber der Bevölkerung, die er wiederum löste.[34] Doch ein Ereignis ist bekannt, bei dem er Zivilcourage zeigte, in einer Zeit, in der ein Menschenleben wenig galt. Folgendes war geschehen:
Als Hamprecht eines Tages vom Außendienst in das Geschäftszimmer des Bezirkszollkommissariats zurückkam, herrschte unter den altgedienten Beamten große Aufregung. Der Grund hierfür war, dass ein Beamter einen in der Nähe von Petingen abgeschossenen und von Zollbeamten gefangengenommenen amerikanischen Flieger im Wald erschießen wollte, statt ihn der Wehrmacht als Kriegsgefangenen zu übergeben. Der Beamte, vermutlich der Gehilfe, befand sich mit dem Gefangenen bereits auf dem Weg in den Wald. Hamprecht lief den beiden hinterher und traf sie auf einem Weg, der auf einer Seite anstieg und auf der anderen abfallend war. Der Beamte hatte vor, den Gefangenen zum Straucheln zu bringen, dies später als „Flucht“ auszulegen und ihn „auf der Flucht“ zu erschießen. Hamprecht verhinderte die Erschießung, indem er auf der Talseite ging, und der Gefangene so nicht hinunterstürzen konnte. Zurück auf der Dienststelle, äußerte sich der Beamte missfallend über Hamprecht, der die Erschießung verhindert hätte. Der Gefangene wurde der Wehrmacht übergeben.[35]
Als die amerikanischen Truppen kurz vor Petingen standen, erkundigte sich Hamprecht telefonisch beim Hauptzollamt Luxemburg nach Weisungen für den Rückzug. Nachdem die Verbindung unterbrochen war und nicht wieder aufgenommen werden konnte, entschloss er sich, zusammen mit seinem Beamten zur besonderen Verwendung, Peter Brück, im Beiwagenkrad zum Hauptzollamt zu fahren, um Näheres in Erfahrung zu bringen. Doch das Gebäude war bereits fluchtartig verlassen worden. In dieser Situation gab Hamprecht für das Bezirkszollkommissariat G Petingen den Befehl zum Rückzug - zu einer gefährlichen Irrfahrt, die über Saarburg im heutigen Landkreis Trier-Saarburg, nach Johanniskreuz im Pfälzer Wald, über Miltenberg am Main, durch Franken und die Donau entlang führte. Schließlich endete sie in der Nähe von Strobl am Wolfgangsee im Salzkammergut, im heutigen Österreich.
Bevor die Flucht begann, war es Hamprecht gelungen, die Möbel und weitere Habseligkeiten aus der Familienwohnung in einem Eisenbahnwaggon zu einem seiner Grenzaufsichtsbeamten, der in Ridderade in Niedersachsen wohnte, zur Aufbewahrung zu verschicken, wo sie auch ankamen, ohne dass etwas geplündert war - damals keine Selbstverständlichkeit. Ein wertvolles Gemälde - ein Hochzeitsgeschenk - gab er vorsichtshalber einer deutschfreundlichen Nachbarin zur Aufbewahrung. Frau Hamprecht floh mit ihren beiden Söhnen in einem überfüllten Zug und fand in einer Zugtoilette Platz. Zunächst gelangten sie nach Dresden, wo die Stiefmutter von Hamprecht wohnte, dann ging es weiter nach Bodenbach zu den Eltern der Mutter von Frau Hamprecht. Schließlich kamen sie in Ridderade an, dem vorgesehenen Treffpunkt der Familie.
Mit dem Dienstwagen „Hanomag Rekord“ und zwei Beiwagenkrädern machte sich Hamprecht zusammen mit dem Personal seines Geschäftszimmers, etwa vier bis fünf Leuten, auf eine abenteuerliche, meist nächtliche Reise. Während sie sich in Saarburg aufhielten, fuhr er im Rahmen der Ardennenoffensive nochmals nach Petingen zurück, um unter anderem nach dem Gemälde zu sehen. Es war jedoch nicht mehr vorhanden. „Vaterländisch gesinnte“ Kriminelle sollen die Herausgabe von der Nachbarin erzwungen haben.
Dann erfolgte der endgültige Rückzug. Die Flüchtenden wurden mehrfach von amerikanischen Truppen überrollt und versuchten daher immer wieder, den Anschluss an die deutschen Linien zu finden. Als im Donaugebiet kein Benzin mehr zu erhalten war, halfen sie sich, indem sie Flugbenzin mit Lackverdünnung streckten. Soweit man Heimatorte von Bediensteten berührte, entließ Hamprecht sie aus den Diensten der Reichszollverwaltung, versehen mit den entsprechenden Schriftstücken, damit sie nicht als Fahnenflüchtige behandelt würden.
Bild 27: Gebäude des Bezirkszollkommissariats G Petingen und Kantine, 2012
Am Wolfgangsee angekommen, erkannte Hamprecht, dass es keinen Zweck mehr hatte, noch weiter nach Osten zu flüchten, denn es bestand die Gefahr, der russischen Armee in die Hände zu fallen und von ihr nach Sibirien verschleppt zu werden. Daher löste er das Bezirkszollkommissariat G Petingen in der Nähe von Strobl auf. Seine Pistole konservierte er und vergrub sie unter einem Baum. Einen Teil der mitgeführten Waffen machten er und der kleine Rest seines Personals unbrauchbar.[36]
In Strobl fanden Hamprecht und der Rest seiner Leute Unterkunft. Dann kam für sie das Ende des Krieges. Als die Amerikaner einrückten, versuchte Hamprecht für seine bescheidene Mannschaft freies Geleit zu erwirken. Stattdessen nahmen sie ihn sofort gefangen, weil sie einen Offizier der Wehrmacht vor sich zu haben glaubten. Es war nutzlos, dass er darauf hinwies, nicht Offizier, sondern Zollbeamter zu sein. Für sie waren allein die silberfarbenen Schulterstücke mit den beiden goldfarbenen Sternen auf der feldgrauen Uniform maßgebend, die ihn in ihren Augen als Offizier erscheinen ließen. Der Namenszug „RFV“ darauf war für sie ohne Belang und dürfte ihnen kaum bekannt gewesen sein. Hamprecht wurde über Salzburg in das Kriegsgefangenenlager A-XIII in Heilbronn verbracht, in dem katastrophale Zustände herrschten.[37] Schließlich wurde er krankheitsbedingt entlassen. Er schlug sich bis Ridderade, dem vereinbarten Treffpunkt mit seiner Familie, durch. Dort arbeitete er zunächst als Knecht bei Bauern, dann als Buchhalter in einem kleinen Handwerksbetrieb. In Niedersachsen wurde er auch entnazifiziert und zwar in die Kategorie 5 „Entlastete“.
Im Jahre 1946 meldete Hamprecht sich bei seiner früheren vorgesetzten Dienststelle, dem Oberfinanzpräsidium Köln. Dieses teilte ihm schriftlich, ohne Angabe von Gründen, seine Entlassung aus der Zollverwaltung auf Anordnung der britischen Militärregierung mit - der Dank für treue Dienste. Als dann die britische Militärregierung Personal für den Zolldienst suchte, meldete auch er sich. Vor der Einstellung musste er sich erneut entnazifizieren lassen, da die vorherige Entscheidung in Nordrhein-Westfalen nicht anerkannt wurde. Der für die Entnazifizierung zuständige Beamte verlangte von ihm für eine günstige Entscheidung eine Zuwendung, die er, wie nicht anders zu erwarten, empört ablehnte. Vermutlich ist dies der Grund dafür, dass er nun in die Kategorie 4 „Mitläufer“ eingestuft wurde.
Wieder in der Zollverwaltung eingestellt, wurde Hamprecht in das völlig zerstörte Aachen versetzt. Seine Dienststelle war nun das Hauptzollamt Aachen-Bahnhofsplatz, wo er fortan Strafsachen bearbeitete. Wegen fehlender Unterkünfte schliefen die Beamten in der Dienststelle auf Schreibtischen - ironischerweise gegen Zahlung eines Entgelts. Da keine Wohnungen vorhanden waren, blieb die Familie in Niedersachsen.
Dann erfolgte die Versetzung als Bezirkszollkommissar (St)[38] in den Bezirk des Hauptzollamts Heinsberg, wo er verbrauchsteuerpflichtige Betriebe überwachte, anschließend an das Hauptzollamt als Personalsachbearbeiter. Jetzt zog auch die Familie nach Heinsberg um. 1955 wechselte Hamprecht zur Oberfinanzdirektion Köln. Im Jahre 1959 fragte man ihn, ob er bereit sei, im Rahmen der Angliederung des Saarlandes dorthin zu gehen, um die neue Zollverwaltung mit aufzubauen. Er antwortete, dass er freiwillig nicht gehe, gehe aber dahin, wohin er geschickt werde. Auf diese Weise kam Hamprecht mit dem Vorkommando ins Saarland und bereitete die Angliederung mit vor. Sohn Günther, der als Zollinspektor beim Hauptzollamt Köln-Deutz tätig war, verließ ebenfalls Köln und kam zum Deutschen Zollamt Forbach, das in der ersten Zeit in Eisenbahnwaggons an verschiedenen Stellen in Saarbrücken untergebracht war. Später bearbeitete Walter Hamprecht beim Hauptzollamt Saarbrücken Personal- und Versorgungsangelegenheiten. Mit 65 Jahren ging er als Zollrat in den Ruhestand.[39]
Die Bezirkszollkommissariate G Hobscheid und Petingen bestanden nur wenige Jahre. Als Hamprecht seinen Dienst im besetzten Luxemburg aufnahm, hatte er bestimmt im kühnsten Traume nicht daran gedacht, auf welche Art und Weise er eines Tages seinen Dienst in der Reichszollverwaltung beenden würde. Es dürften keine Zweifel bestehen, dass er in fachlicher Hinsicht den hohen Anforderungen, welche die Reichszollverwaltung an einen Bezirkszollkommissar G stellte, entsprochen hat. Dass er der weiteren Anforderung, nämlich „nach nationalsozialistischen Grundsätzen zu handeln“, gerecht geworden ist, lässt sich anhand der erwähnten Beispiele erfreulicherweise nicht bestätigen.
Walter Hamprecht fühlte sich offenbar innerlich bis zu seinem Lebensende mit Hobscheid verbunden. Als er Anfang der 1990er Jahre davon erfuhr, dass die Kapelle zum Heiligen Kreuz, die gegenüber seinem ersten Quartier in der Grosstraße 13 stand, umgesetzt werden sollte, stiftete er hierfür 100,- DM.[40] Und während er pflegebedürftig war, unterhielt er sich mit seinem Pfleger Thomas Mersch, dessen Vorfahren zufällig aus Hobscheid stammten, viel über seine Zeit in Luxemburg.[41] Zutreffend dürfte Fernand Toussaint über ihn urteilen, wenn er schreibt, dass er „als ein sehr gutmütiger, toleranter und keineswegs nazistisch denkender Mensch den Hobscheidern in Erinnerung steht…. Hamprecht, der sich den Hobscheidern gegenüber nichts zu Schulden kommen ließ, hat in unserer Ortschaft kein schlechtes Bild hinterlassen“.[42] Ähnlich mögen wohl auch die Einwohner der anderen Orte, an denen er im besetzten Luxemburg Dienst verrichtet hat, von ihm gedacht haben. Und sein Sohn meinte, sein Vater sei „ein pflichtbewusster Beamter, kein Menschenfresser“ gewesen.[43] Auch mit dieser Meinung dürfte er nach all’ dem, was heute von der Luxemburger Zeit Walter Hamprechts bekannt ist, recht haben. Er starb am 9. November 1991.
I. Unveröffentlichte Quellen
Archives Nationales Luxembourg: Fonds ”Chef der Zivilverwaltung”: Die deutsche Zollverwaltung in Luxemburg 1-169, B-3:003
Hamprecht, Günther: Erinnerungen an Besuche meines Vaters aus dieser Zeit und unser Leben in Petingen von Mai bis September 1944, unveröffentlichtes Manuskript, 2012
Fotoalbum des Bezirkszollkommissars G Walter Hamprecht (im Besitz von Fernand Toussaint, Hobscheid/Luxemburg)
II. Veröffentlichte Quellen
Zollkalender 1940, Berlin 1940
Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen: Dienstkleidung einst und heute, Bonn 1972
Eulitz, Dr., Walter: Der Zollgrenzdienst. Seine Geschichte vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen (Heft 6), Bonn 1961
Toussaint, Fernand: Das Grenzkommissariat in Hobscheid unter Nazi-Herrschaft, unveröffentlichtes Manuskript, o.J.
Zuckarelli, Detlev: Die deutsche Zollverwaltung in Luxemburg 1940 bis 1944 – Versuch einer Rekonstruktion, Luxemburg 2008
Zuckarelli, Detlev: Das Zollgrenzschutz-Ausbildungslager Differdingen 1942, Koblenz 2010
ean Ensch, Remich (Luxemburg)
Günther Hamprecht, Mandelbachtal (Deutschland)
Anne-Marie Toussaint, Hobscheid (Luxemburg)
Fernand Toussaint, Hobscheid (Luxemburg)
Fernand Toussaint Bilder 1-14, 16-18, 20-23, 25
Günther Hamprecht Bilder 19, 24, 26
Jean Ensch Bild 27
Archiv des Autors Bild 15
Ich danke Herrn Günther Hamprecht, Sohn von Bezirkszollkommissar G Walter Hamprecht, der die Anregung zu diesem Artikel gegeben und viele Einzelheiten aus dem Leben seines Vaters erzählt hat. Dank auch an Herrn Fernand Toussaint und seine Frau Anne-Marie. Herr Toussaint hat mir freundlicherweise das in seinem Besitz befindliche Fotoalbum von Walter Hamprecht zur Verfügung gestellt, wodurch ich dessen Zeit im besetzten Belgien und Luxemburg anhand der vielen Bilder und dazugehörigen Texte rekonstruieren konnte. Darüber hinaus haben sie mich mit Informationen über die Besetzungszeit versorgt, mir die Gegend um Hobscheid (Luxemburg) gezeigt, in der Walter Hamprecht tätig war, mit Geduld meine Fragen beantwortet und den Kontakt zu luxemburgischen Historikern vermittelt. Außerdem bedanke ich mich bei Herrn Jean Ensch, der für mich in Petingen das Gebäude des damaligen Bezirkszollkommissariats G fotografiert hat.
© Detlev Zuckarelli 2012
[1] „G“ steht für „Grenze“.
[2] NSDAP ist die Abkürzung für Nationalsozialistische deutsche Arbeiterpartei.
[3] Er wurde am 24.1.1941 in „Gau Moselland“ umbenannt.
[4] Der Dienstgrad des damaligen Oberzollsekretärs entspricht dem des heutigen Zollinspektors zur Anstellung.
[5] Es war vorgeschrieben, dass jeder Zollinspektor längere Zeit an der Grenze tätig gewesen sein musste.
[6] Günther Hamprecht: Erinnerungen an Besuche meines Vaters aus dieser Zeit und unser Leben in Petingen von Mai bis September 1944, unveröffentlichtes Manuskript, o.J.
[7] Vgl. Anmerkung 6.
[8] Auskunft von Anne-Marie und Fernand Toussaint am 16.7.2012
[9] Detlev Zuckarelli: Die deutsche Zollverwaltung in Luxemburg von 1940 bis 1944 – Versuch einer Rekonstruktion, Luxemburg 2008, Seite 63 f.
[10] E-mail-Auskunft von Fernand Toussaint vom 13.8.2012
[11] Die Grenzsäulen wurden in der Gießerei Cockerill in Seraing (Belgien) gegossen, was auch hervorstehend auf einer der acht Flanken im unteren Bereich verewigt wurde (E-mail-Auskunft von Fernand Toussaint vom 9.9.2012).
[12] Da Hartmann in einem privaten Quartier wohnte, nämlich in der Grosstrasse Nr. 6 (heute: 6, Grand’rue), ist anzunehmen, dass er Zollinspektor war und damit der Gehilfe von Hamprecht.
[13] Auskunft von Günther Hamprecht am 11. Juni 2012
[14] Die Beförderung in Stellen der Bes.-Gr. A 4 b (Bezirkszollkommissare und Oberzollinspektoren)…, in: Zollkalender 1940, Seite 316 ff.
[15] Fernand Toussaint: Das Grenzkommissariat in Hobscheid unter Nazi-Herrschaft, unveröffentlichtes Manuskript, o.J.
[16] Diese Tagung fand vom 15. bis 17. April 1942 in Luxemburg statt.
[17] Das Zollgrenzschutz-Ausbildungslager, das in den Kantinenräumen des Hüttenwerkes untergebracht war, wurde am 19. Februar 1942 eröffnet. Siehe hierzu: Detlev Zuckarelli: „Glück auf!“ Das Zollgrenzschutz-Ausbildungslager Differdingen 1942, unter: www.zollgrenzschutz.de und in „Agenda 2013“ der Lëtzeburger Douanes Gewerkschaft, Luxemburg.
[18] Auskunft Fernand Toussaint am 16.7.2012
[19] Die zollgrüne Uniform war am 1. August 1937 durch eine feldgraue ersetzt worden.
[20] Vgl. Anmerkung 9, Seite 75 f.
[21] Vgl. Anmerkung 6.
[22] Gleiche Art des Protestes gab es auch in Differdingen bei Propagandamärschen der Parteiorganisationen: Vgl. Anmerkung 9, Seite 83.
[23] In Luxemburg meist abwertende Bezeichnung für Deutsche.
[24] Vgl. Anmerkung 15.
[25] Auskunft von Anne-Marie Toussaint am 16.7.2012
[26] Vgl. Anmerkung 13.
[27] Einer der beiden Beamten war ein aus Köln stammender Kunstmaler: Vgl. Anmerkung 6
[28] Vgl. Anmerkung 13.
[25] Vgl. Anmerkung 15.
[30] Erstmals wird das Bezirkszollkommissariat G Beckerich in einem Schreiben des Hauptzollamts Luxemburg vom 13. Juli 1943 genannt.
[31] Die mit E-mail vom 14.4.2012 vom dortigen Bürgermeister erbetenen Auskünfte über den deutschen Zoll in Beckerich ist nicht beantwortet worden.
[32] In dem Gebäude war in den 1960er Jahren eine Bankfiliale untergebracht.
[33] Vgl. Anmerkung 6.
[34] Vgl. Anmerkung 13.
[35] Vgl. Anmerkung 13.
[36] Vgl. Anmerkung 6.
[37] Vgl. Anmerkung 6.
[38] „ (St)“ bedeutet „(Steuer)“.
[39] Vgl. Anmerkung 13.
[40] Vgl. Anmerkung 18.
[41] Als Dank für die Pflege ihres Mannes übergab Frau Hamprecht dessen Fotoalbum über seine Zeit in Belgien und Luxemburg an Thomas Mersch, der es Fernand Toussaint schenkte.
[42] Vgl. Anmerkung 15.
[43] Vgl. Anmerkung 13.