Der sogenannte Panzergraben ist eine Kriegsgräberstätte in Rheinau (Baden-Württemberg), auf der 27 Angehörige von Zollgrenzschutz, Wehrmacht und Volkssturm bestattet sind. Sie starben am 14.04.1945 im Rahmen von Kämpfen mit französischen Truppen an einem Panzergraben bei Memprechtshofen (heute Teil von Rheinau) und sind am Ort des Geschehens beigesetzt.
Ende März 1945 überschritt die Französische 1. Armee in der Region um Landau/Pfalz den Rhein und bewegte sich weiter nach Süden. Am 04.04. eroberte sie Karlsruhe und wurde etwa 10 km südlich bei Mörsch (heute Teil von Rheinstetten) für ein paar Tage aufgehalten. Das geschah im Wesentlichen durch die dort liegenden Zollgrenzschutz-Bataillone I und XIII sowie infanteristisch eingesetzte Luftwaffenangehörige. Bis etwa zum 10.04. konnte der Vormarsch bei Mörsch aufgehalten werden, danach durchbrachen französische Truppen die deutschen Linien und drängten die Verteidiger zügig nach Süden ab in Richtung Rastatt (am 13.04. erobert) und Baden-Baden (12.04.). Damit entstand längs des Rheins bis etwa zur Höhe von Rheinau ein Streifen, in dem es keine durchgehende Front der deutschen Truppen mehr gab. Die noch vorhandenen Einheiten verteidigten Ortschaften stützpunktartig bzw. besetzten vorher ausgebaute Stellungen. Dazu gehörten auch die Volkssturmbataillone Lichtenstein und Wunnenstein, die nahe Memprechtshofen lagen. Durch den Ort führte mit der Reichsstraße 36 und einer belastbaren Brücke über den Fluss Rench eine wichtige Verbindung, die für den französischen Vormarsch strategische Bedeutung hatte. Die Reichsstraße (spätere Bundesstraße 36 und heutige Landesstraße 75) wurde durch einen Panzergraben gesperrt, der sich westlich von Memprechtshofen auf freiem Feld befand. Mit 5 Metern Tiefe, 8 m Breite und Länge von etwa 200-300 m war er ein ernstzunehmendes Hindernis, das an einem Ende von einem Wald bzw. dem Schneidersee eingegrenzt wurde und mit dem anderen Ende auf dem freien Feld lag.
Am 13.04. erreichten die französischen Einheiten das Gebiet nahe Memprechtshofen, da nach dem Fall von Rastatt und Baden-Baden kaum intakte bzw. kampfkräftige deutsche Einheiten zur Verfügung standen. Am Morgen des 14.04. kamen französische Truppen nach Memprechtshofen aus östlicher Richtung und besetzten es kampflos. Dabei könnte es sich um Einheiten der 9e division d’infanterie coloniale (9. Kolonial-Infanterie-Division) gehandelt haben, die neben afrikanischen Soldaten überwiegend aus ehemaligen Resistance-Angehörigen bestand. Ein Angriff auf den von deutschen Truppen verteidigten Panzergraben scheiterte und wurde mit Artillerieunterstützung wiederholt. Dabei töteten die französischen Geschütze irrtümlich zahlreiche eigene Soldaten, angeblich weil der französische Beobachter auf dem Kirchturm nicht auf Posten war. Am Nachmittag gelang die Eroberung des Panzergrabens in einem neuen Versuch durch großräumige Umgehung und Angriff von hinten. Insgesamt hatten die französischen Kräfte 49 Tote, überwiegend durch den Eigenbeschuss. Einige Tage nach dem Gefecht begrub die örtliche Bevölkerung die 27 deutschen Gefallenen im Panzergraben, wobei laut Augenzeugen mehrere der Toten Kopf- und Genickschüsse aufwiesen, was auf Hinrichtungen hindeutet.
Die gefallenen Zöllner gehörten zu einem der Zollgrenzschutz-Bataillone. Das I. Bataillon war in Rastatt aufgerieben worden, das XIII. Bataillon stand inzwischen weiter östlich, außerdem waren die Zollgrenzschutz-Bataillone II und III aus der Region Offenbach herangebracht wurden. Die genaue Zugehörigkeit kann deswegen nicht bestimmt werden. Vermutlich setzten sich die Verteidiger des Panzergrabens aus Versprengten von Zollgrenzschutz und Wehrmacht sowie aus Angehörigen der Volkssturmbataillone zusammen.
Nachforschungen des Vereins für Ortsgeschichte Memprechtshofen in französischen Archiven erbrachte die Information, dass die französischen Truppen am Panzergraben anscheinend etwa 60 deutsche Gefangene machten. Über Hinrichtungen fand sich dabei nichts.
Zeitgenössische deutsche Militärquellen zum Geschehen waren bisher nicht zu finden, wobei fraglich ist, ob hier überhaupt Berichte angefertigt wurden. 3 Wochen vor Kriegsende war die Lage mehr als chaotisch, zudem waren Memprechtshofen und das Umland fest in alliierter Hand. Deutsche (Militär-)Stellen konnten von evtl. Hinrichtungen demnach nichts wissen, es sei denn, ein Augenzeuge hätte es zurück zu den deutschen Linien geschafft. Da die französische Armee den Panzergaben aber umzingelt hatte, ist das sehr unwahrscheinlich. Ein solches Geschehen wäre bei Bekanntwerden aber auch sofort über den Meldeweg weitergegeben und in den Tagesmeldungen der Division, des Armeekorps sowie der Armee erwähnt worden. Das ist jedoch nicht der Fall, insofern dürften die Augenzeugen der Beerdigung die einzigen deutschen Quellen sein. Jedenfalls können die Widersprüche zwischen den deutschen und französischen Angaben auch fast 80 Jahre danach nicht aufgelöst werden.
Wie auch immer es zum Beschuss der eigenen Leute sowie zu den vermutlichen Hinrichtungen kam, hier wird wieder einmal deutlich, dass Krieg kein ritterliches Abenteuer sondern blutiger Ernst ist. Innerhalb weniger Stunden starben 76 Menschen auf einem einsamen Acker beim Kampf um einen unwichtigen Graben.
Links & Rechts: Friedhof und Gedenkstätte Panzergraben
Links: Blick zum Friedhof (roter Pfeil). Der Panzergraben verlief rechts auf dem Feld, wenige Meter neben dem Feldweg, dort ist auch heute noch eine Vertiefung zu erkennen (gelber Pfeil). Memprechtshofen liegt links hinter den Bäumen.
Rechts: Gegenrichtung mit Blick zur Landesstraße 75 (vor der Baumreihe).
Links: Kirchturm Memprechtshofen mit Blick durch die Bäume. Der französische Beobachter auf dem Kirchturm hätte eigentlich eine gute Sicht auf das Geschehen haben müssen.
Rechts: Kirche in Memprechtshofen.
- Infotafel am Friedhof
- Bericht auf Baden Online vom 15.04.2020
- Auszug aus der Chronik der Stadt Rheinau auf Lexikon der Wehrmacht.de
- Staatsarchiv Ludwigsburg: EL 20/1 VI Bü 1359
- Bundesarchiv: RH 20-19/225, RH 20-19/231 K, RH 20-19/232 K
- Alle Fotos der Örtlichkeiten wurden von mir gemacht